Kunst - Markt - Anpassung - Ein Dilemma

Um das Thema einzugrenzen und zu verdeutlichen möchte ich mit meinem Lieblingszitat von Picasso beginnen: "Ein Maler malt, was er verkauft, ein Künstler verkauft, was er malt.". Demzufolge passt ein Künstler seine Malerei nicht dem Markt an, sondern tut was er will und verkauft seine Bilder trotzdem.

Aus aktuellem Anlass, einem Gespräch mit einer Kollegin, habe ich mich noch einmal mit diesem Thema beschäftigt. Die Frage ist, wie weit darf sich ein Künstler einem bestehenden Markt anpassen ohne seinen künstlerischen Anspruch aufzugeben, oder darf er es überhaupt? Wobei bei dieser Betrachtung wirtschaftliche Zwänge einfach einmal ausgeklammert werden.

Auf dem ersten Blick erscheint es beinahe zwingend notwendig, jegliche Anpassung an bestehende Märkte zu verweigern, es hätte eine massive Einschränkung der Kreativität und der freien Entwicklung des Künstlers zur Folge. Kunst soll frei sein, dafür ist hart gekämpft worden und selbst heute werden noch Künstler verfolgt, die gesellschaftkritische Aussagen in ihrer Arbeit haben, wie man zum Beispiel des chinesischen Künstlers Ai Weiwei beobachten kann.

Was auf dem ersten Blick so klar und deutlich erscheint, führt jedoch in ein Dilemma, wenn wir uns auf eine künstlerische Aussage beziehen, ohne die eine Kunst auf reines Handwerk reduziert wäre. Möchte ein Künstler mit seiner Arbeit etwas ausdrücken oder aussagen, was ja seine primäre Aufgabe wäre, wollte er sich von reiner Dekoration distanzieren, wäre es ja doch zwingend erforderlich, dass er auch verstanden würde. Ohne das Verstehen einer Aussage macht die Aussage wenig Sinn. Um verstanden zu werden, müsste nicht der Künstler sich einer (Bild-)Sprache bedienen, die von möglichst vielen Menschen verstanden würde? Also doch eine Anpassung an den Markt, bzw. an das Vermögen der Betrachter eine Aussage auch zu verstehen? Ein Dilemma.

Picasso hatte leicht reden. Zumeist war er an einer künstlerischen Aussage wenig interessiert. Es war die Zeit großer politischer und kultureller Veränderung. Es war auch die Zeit eines großen Befreiungsschlags in der Kunst, die noch immer akademischen und kulturellen Zwängen unterlag. Da war es schon revolutionär, wenn ein Künstler überhaupt tat, was er für richtig hielt, ohne Berücksichtigung irgendwelcher Erwartungshaltungen.

Aber auch Picasso hat hin und wieder gesellschaftkritische Arbeiten erfasst. Das wohl berühmteste Werk dieser Art dürfte "Guernica" sein, welches den spanischen Bürgerkrieg thematisiert. So sehr das Bild die Fachleute auch mit Interpretationsversuchen beschäftigt, hat Picasso zwar seinen damals aktuellen Stil benutzt, sich jedoch tatsächlich einer Bildsprache bedient, die keinen Zweifel an das Thema des Bilds, dem Grauen des Kriegs, offen lässt. Also doch eine Anpassung?

An dieser Stelle wird deutlich, dass man unterscheiden muss. Es gibt eine Anpassung an den Markt, oft getrieben von wirtschaftlichen Zwängen, es gibt darüber hinaus jedoch auch eine Anpassung an das Publikum, an die Menschen, welche schlicht erforderlich ist, um verstanden zu werden.

Bei genauerer Betrachtung mag auffallen, dass es noch andere Zwänge geben mag. So wäre die Qualität der künstlerischen Arbeit einer Betrachtung wert und zwar durchaus aus handwerklicher Sicht. Während die Bilder des deutschen Expressionistens Otto Müller, der auf Juchten (Sackleinen) mit selbst hergestellten Leimfarben gemalt hat, heute zumeist nur noch schmutzig-braun sind, besitzen die viel älteren Bilder von Rembrandt noch immer eine Leichtkraft, die beeindruckt. Will ein Künstler, dass seine Arbeiten dauerhaft erhalten bleiben, kommt er kaum darum herum, sich dem Zwang der Qualität zu unterwerfen und sich das benötigte Know-How auch anzueignen. Spekuliert er mit Vergänglichkeit und Verfall, wie es bei der "Kunst im öffentlichen Raum" zunehmend üblich wird, braucht er sich um diese Form der Qualität kaum zu kümmern.

Aber auch andere Aspekte sind betrachtenswert, die eine Einschränkung der Freiheiten darstellen können. Erkenntnisse der Farb- und Kompositionslehren sind nicht ohne Grund entstanden. Ihre Anwendung mag die Kreativität einschränken, führen jedoch zu besseren Ergebnissen. Natürlich kann ein Künstler auch gerade diese Regeln absichtlich außer acht lassen, wenn er radikal arbeiten möchte, das ist durchaus legitim, weniger legitim empfinde ich es jedoch, wenn man sich hinter dieser Radikalität und der freien Kreativität versteckt, um über Unkenntnis hinwegzutäuschen.

Nach all diesen Aspekten kann man zu dem Schluss kommen, dass es zwar keine zwingende Vorgabe geben kann, wie weit man künstlerische Arbeiten den Gegebenheiten anpasst, jedoch wird erkennbar, dass nicht jede Art von Anpassung oder Zwang gleich schlecht sein muss. Die Kunst soll die Menschen erreichen und nicht abschrecken. Ein Grazer Taxifahrer hat einmal zu mir gesagt: "Künstler sind Leute, die ich nicht verstehe und die Dinge tun, die sündhaft teuer sind!". Wird es nicht an der Zeit, dass sich die Kunst den Menschen wieder nähert und nicht durch freie Radikalität so wie in der klassischen Moderne verbrannte Erde hinterlässt? Wäre es nicht schön und zielführend, wenn die Menschen die Kunst wieder verstehen? Drei Kilo ranzige Butter in die Ecke geschmiert dürfte dieser Idee kaum zuträglich sein.


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© Peter Blackbrush